Donnerstag, 24. Juli 2014

1weiter


Zerstört, aber glücklich 
Wie Tatjana mit CrossFit an ihr Limit geht...



CrossFit heißt der neueste Fitness-Trend. Das härteste Workout, das es gibt – gnadenlos, intensiv, brutal anstrengend.

Die Frage hämmert mir durch den Schädel, bevor es überhaupt losgeht: Warum tue ich mir das an? Ich ahne natürlich, was mich erwartet. Ist es das wirklich wert? Nur um es „mal ausprobiert zu haben“? Falsche Frage. Denn zurück kann ich nicht mehr. In diesem Moment steht bereits „AXTCrossFit“-Trainer Felix Mühlnickel vor mir, der mich gleich in dieser schicken, umgebauten Industrieruine in Berlin Friedrichshain durch die Übungen jagen wird. Um mir zu zeigen, was es bedeutet richtig zu leiden.



„BEIM AUFWÄRMEN MERKE ICH, WIE EINGEROSTET ICH BIN“


Der 27-Jährige ist bis in die Zehenspitzen durchtrainiert – ich dagegen ganz und gar nicht. Er spürt meine Unsicherheit. Bevor ich es mir noch anders überlege, legt er mit mir los. Das Aufwärmtraining startet mit Kniebeugen, Squats genannt. Die ersten sind noch ok, auch wenn mich Felix immer wieder korrigiert: „Stell deine Beine auf Schulterbreite! Deine Knie zeigen nach vorne!“ Immer wieder dieser Satz. Bis ich es endlich richtig mache. Fünf Squats, dann zehn, und noch mal 20. Da merke ich schon, wie eingerostet ich bin. Doch das ist erst der Anfang.

Nach den Squats geht es weiter mit Jumping Jacks, besser bekannt als Hampelmänner. 30 Sekunden hüpfen, 30 Sekunden entspannen, dann noch mal hüpfen, dann wieder entspannen. Der Schweiß rinnt mir bereits in Strömen runter. Und ich könnte jetzt gut aufhören und nach Hause gehen. Nicht mit Felix.

DAS ANFÄNGER-WORKOUT


Es geht weiter mit Deadlifts, bei denen man eine Stange hebt. Eine halbe Ewigkeit dauert es, bis ich es richtig mache. „Hintern hoch, Rücken durchdrücken, Blick nach vorn! Schultern gerade und hoch mit der Stange!“ Als ich es endlich kann, kommen an jede Seite auch noch fünf Kilo Gewicht dran, und mir wird klar, dass ich mit der Übung noch lang nicht fertig bin. Da sind erst 20 Minuten vergangen. Mein Gesicht ist rot, meine Haare zerzaust, ich bin völlig außer Puste. „Und das war Anfänger-Workout“, sagt Felix.

„Ernsthaft?“, frage ich zurück und hoffe, dass es ein Scherz war. „Klar“, sagt Felix lässig und erklärt mir die nächste Aufgabe: jeweils eine Minute auf dem Rudergerät, danach Burpees, also Liegestütze in Kombination mit Strecksprüngen, Sit-ups, Kniebeugen und anschließend Boxjumps (Sprünge auf einen Holzkasten).

DAS EIGENTLICHE WORKOUT



Schon nach dem Rudern bin ich kaputt, mir ist schwindelig, ich merke, dass meine Beine anfangen zu zittern. Als ich dann mit den Burpees anfange, fühlen sich meine Arme an wie Fremdkörper, die ich aber trotzdem heben muss. „Auf den Boden, Sprung nach oben! Zurück auf den Boden! Und wieder hoch! Komm schon!“

Beim fünften Burpee falle ich. Komme nur noch mit einem Zwischenschritt und meiner ganzen verbleibenden Kraft hoch. Danach darf ich mich wieder hinlegen. Solange bis meine Ruhe-Minute von der lauten fordernden Stimme des Trainers beendet wird. „Los!“ ruft Felix, „Hoch, hoch, hoch!“

Mit kurzen Befehlen gibt er den Takt vor, in dem er die Übungen von mir erwartet. Erst halte ich das Tempo, doch schon nach wenigen Sit-ups lasse ich nach. Merkt Felix natürlich: „Hey“, ruft er mir zu, „nicht schlapp machen! Komm schon! Nur noch 20 Sekunden!“ Ich gehorche und ziehe meinen Oberkörper mit letzter Kraft hoch.

„DAS GEFÜHL, SICH SELBST ZU ÜBERWINDEN, IST WIE EIN RAUSCH“


Jetzt kommen die Boxjumps. Doch ich kann mich kaum noch überwinden, auf die Kiste zu steigen. „Komm, noch 40 Sekunden! Das schaffst du! Los spring!“ ruft Felix. Gott! Die längsten 40 Sekunden meines Lebens, lass sie endlich vorbei sein, denke ich und versuche zu springen. Aber ich kann nicht mehr. Mit letzter Kraft steige ich auf die Box, aber als ich zurück will, versagen meine Beine. Ich habe die Kontrolle über sie einfach verloren und falle.

„Komm steh auf, nur noch 28 Sekunden! Zweimal schaffst du noch!“ schreit Felix. Ich hasse ihn. Ich weiß nicht mal mehr, wie ich aufstehen soll, geschweige denn auf die Box hüpfen – die auf einmal viel höher zu sein scheint als am Anfang. Und trotzdem: wieder auf die Box. Beim Absteigen falle ich erneut. Noch zehn Sekunden, los, noch ein Aufstieg, noch mal Fallen.


„Das Gefühl, sich selbst zu überwinden, das ist wie ein Rausch“, wird Felix später erzählen. Doch alles, was ich jetzt fühle, sind Schmerz, Erschöpfung und Übelkeit. Nach weiteren 20 Minuten ist das Training vorbei, doch für mich geht es irgendwie noch weiter. Als ich mich von Felix verabschiede und die Halle verlasse, versuche ich mir nichts anmerken zu lassen. Umsonst: Ich stolpere, weil ich meine Sinne nicht mehr richtig beieinander habe.

ALLES TUT WEH


Zuhause frage ich mich wirklich, wie ich die Treppen in den ersten Stock schaffen soll. Es geht so unglaublich langsam, als wären meine Beine gebrochen. Schneckentempo. Als ich endlich oben ankomme, schleppe ich mich ins Schlafzimmer und falle direkt ins Bett. Alles an meinem Körper brennt. Keine zwei Minuten und ich bin weg, eingeschlafen.

Der nächste Morgen. Allein beim Atmen merke ich, dass jeder Teil meines Körpers schmerzt. So sehr, dass ich nicht mal dran denke aufzustehen. Obwohl ich verabredet bin. Nach einer Stunde liege ich immer noch da. Hellwach und starr vor Schmerz. Langsam versuche ich mich aufzurichten, ohne meine Bauchmuskeln zu beanspruchen - der Versuch scheitert. Schultern, Arme, der Rücken melden sich mit beißendem Schmerz. Zumindest sitze ich. Langsam zwänge ich meine Beine im Sitzen in die enge Hose und fische nach einem Shirt. Alles tut weh.

Meine sonst so kleine Wohnung kommt mir auf einmal riesig vor, als ich ins Bad humple. Dort sehe ich in den Spiegel. War es das wert, frage ich das müde Gesicht darin. Nur um es mal ausprobiert zu haben?

EYE OF THE TIGER

Ja, war es. Ich habe es immerhin mal ausprobiert. Hab mich überwunden. Als ich meine Wohnung verlasse und die Treppen runterschleiche, habe ich „Eye of the Tiger“ im Ohr. Und tatsächlich fühle ich mich ein bisschen wie Rocky nach seinem großen Kampf: zerstört, aber glücklich.


Tatjanas Fazit:
Mein CrossFit-Selbstversuch war unglaublich intensiv und forderte mich zu 100 Prozent! Wie im Rausch setzte ich meinen Körper in kürzester Zeit einer Extrem-Situation aus. Nur ganz langsam konnte ich mich anschließend davon erholen.

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